Donnerstag, 17. Juni 2010
Wikileaks im Fokus der US-Regierung

Seit nunmehr drei Wochen sitzt der Gefreite Bradley Manning in Untersuchungshaft im Camp Arifjan in Kuwait ohne dass bislang Anklage erhoben wurde. Er steht unter Verdacht, geheime Informationen an die Organisation Wikileaks weitergegeben zu haben, darunter auch ein Video, dass im April um die Welt ging: Die brutale Erschießung einer Gruppe von Männern, die für Aufständische gehalten wurden. Dabei wurden auch zwei Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters getötet, ebenso wie ein Familienvater, der einem Verwundeten helfen wollte. Seine beiden Kinder im Wagen wurden unter schweren Beschuss genommen und kamen schwer verletzt noch mal mit dem Leben davon.

Auch ein Video von einem Massaker in Afghanistan soll Manning weitergegeben haben. In der Tat meldet Wikileaks, dieses Video werde zur Zeit noch bearbeitet. Während die Veröffentlichung derartiger Vorfälle von den meisten Menschen gutgeheißen wird, stößt aber die Behauptung, Manning habe auch etwa 260.000 „cables“, geheime Meldungen zu internationalen Angelegenheiten, an Wikileaks weitergeleitet auf kontroverse Reaktionen.

Wikileaks konnte sich bislang rühmen, dass seit der Gründung 2006 noch nie ein Informant enttarnt werden konnte und dass alle Versuche, Veröffentlichungen zu stoppen, bisher scheiterten. Zu diesem Ergebnis kam 2008 auch ein Geheimbericht der US-Regierung, der in Wikileaks ein großes Gefahrenpotential sah. In diesem Bericht, der ebenfalls Wikileaks zugespielt und dort veröffentlicht wurde, kommt man zu dem Schluß, dass die Enttarnung und Verfolgung der Informanten das Vertrauen in Wikileaks brechen und weitere Informanten abhalten könnte, ebenfalls vertrauliche Informationen weiterzugeben.

Genau dies scheint nun im Mai geschehen zu sein. Ein reiner Glücksfall?

Die vermeintliche Enttarnung kam nicht etwa dadurch zustande, dass man das Sicherheitssystem der Aktivisten durchbrochen hätte, sondern dadurch, dass Manning den Ex-Hacker Adrian Lamo kontaktiert und ihm im Chat seine Geheimnisse anvertraut hat. Lamo entschied sich schließlich, Manning dem FBI zu melden und so landete der 22jährige in Militärgewahrsam. Lamo rechtfertigt sein Handeln damit, dass er eine Gefahr für Leib und Leben gesehen habe. Tatsächlich weiß er aber selbst nicht, was denn nun Gefährliches in den 260.000 Meldungen stehen konnte, sondern hat sich auf die Antwort festgelegt, dass man beim Russisch Roulette auch nicht wisse, welche Kammer die Kugel enthalte.

Fragwürdig ist auch die Tatsache, dass Lamo direkt mit seiner Geschichte zu Kevin Poulsen von Wired.com ging. Kevin Poulsen hat wie Lamo eine Vergangenheit als Hacker hinter sich und berichtet immer wieder einmal über seinen Kumpel. Gerade erst hatte Poulsen einen Artikel über Lamo veröffentlicht, dem das Asperger Syndrom diagnostiziert wurde, meist als leichte Form des Autismus beschrieben, die sich auf Gestik und Sprache auswirkt und die Interaktion mit anderen erschwert. Am 6. Juni dann veröffentlichte Poulsen als erster die Geschichte des angeblichen Whistleblowers Manning.

Natürlich ist die US-Regierung am Inhalt der vermeintlichen 260.000 Meldungen interessiert und möchte sicherlich deren Veröffentlichung verhindern. Damit geriet Julian Assange, Gründer und einer der wenigen bekannten Mitglieder von Wikileaks, ins Visier. Einige sprechen gar von Menschenjagd und auch der bekannte Informant Daniel Ellsberg (seine Enthüllungen führten seinerzeit zur Watergate-Affäre) warnt Assange eindringlich, die Bedrohung ernst zu nehmen.

Regierungssprecher Philip J. Crowley bestätigte auf einer Pressekonferenz am 11. Juni, dass man zwei Festplatten, auf die Manning Zugriff hatte, zur Zeit in New York untersuche. Gegen Wikileaks gehe man nicht vor, da zur Zeit noch kein Grund bestehe, und an Gesprächen sei man auch nicht interessiert, da dies nur die laufenden Untersuchungen gefährde. Im Gegensatz dazu berichtete Philip Shenon auf The Daily Beast, dass Regierungsvertreter ihm gegenüber geäußert hätten: „Wir wüssten gerne, wo er ist. Wir würden gerne mit ihm zusammen daran arbeiten.“

 Aber dies ist nicht der einzige Widerspruch. Adrian Lamo selbst wirbt immer wieder dafür, Wikileaks finanziell zu unterstützen. Dass er zu den Spendern gehört kam ebenfalls durch eine kuriose Angelegenheit heraus. Anfang des Jahres stand es finanziell schlecht um Wikileaks und man hatte eine email an bisherige Spender geschickt und zu weiteren Spenden aufgerufen. Pikanterweise hatte man aber die email-Adressen für alle Empfänger sichtbar in der Mail belassen. Ein Scherzbold hatte daraufhin Wikileaks provoziert und diese Mail als enthüllendes Dokument eingereicht. Wikileaks sah sich auf die Probe gestellt und entschied sich dafür, die Mail zu veröffentlichen, um den eigenen Prinzipien treu zu bleiben.

Ein weiterer Widerspruch betrifft die Protokolle des Chats mit Manning. Am 10. Juni veröffentlichte Patrick Grey ein Interview mit Lamo bei Risky Business. Im Anschluß an das Interview fügte Grey hinzu, Lamo habe ihm erzählt, er habe die Chat-Protokolle auch an Wikileaks gesandt, es bleibe ihnen überlassen, was sie damit täten. Aber einen Tag später erhält er eine Mail, die angeblich von Assange stammt, in der er aufgefordert wird, die Chat-Protokolle zu übergeben, damit sich die Anwälte auf Mannings Verteidigung vorbereiten können. Außerdem soll er aussagen, er sei durch Krankheit und Drogen beeinflusst gewesen und habe Angst bekommen. Wired.com zitiert nun Lamo, dass er angesichts solcher Beleidigungen die Protokolle nicht herausgeben wolle. Auf meine Rückfrage bei Patrick Grey antwortete dieser nur erstaunt: „Ich habe das auch gesehen. Es kommt mir merkwürdig vor!“

Tatsächlich wurden Ausschnitte aus den Protokollen am 10. Juni bei Wired.com veröffentlicht. Zur Erklärung heißt es, es handle sich um etwa 25% der Originale, da man allzu Privates und militärisch Sensibles herausgehalten habe.

21. Mai

Manning kommt um 1:41 nachmittags in den Chat. Sein „hi“ bleibt unbeantwortet. Nach 3 Minuten fragt er „Wie geht es dir?“. Ohne Antwort teilt er weitere 3 Minuten später mit „Ich bin ein Analyst des militärischen Geheimdienstes, in Ost-Bagdad stationiert, der auf , der auf Entlassung (discharge) wegen „Anpassungsstörungen“ wartet [...]“. Es vergehen weitere 9 Minuten:
„Ich bin sicher, du bist sehr beschäftigt.“ Trotzdem fragt er nach 2 Minuten:
„Wenn du beispiellosen Zugriff auf klassifizierte Netzwerke hättest, 14 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, für mehr als 8 Monate, was würdest du tun?“ Hierauf kommt prompt eine automatisierte Antwort von Lamos PC: „(Ich bin es) müde, müde zu sein.“ Manning wartet ganze 19 Minuten, bis er mit einem „?“ reagiert.

Erst vier Stunden später fragt Lamo: „Was ist deine MOS?“ (MOS = military occupational specialization.)

Nach 9 Stunden kommt Mannings Antwort: “Intelligence Analyst (35F)”

22. Mai

Der Autor des Artikels erklärt, Manning habe erzählt, er habe 260.000 diplomatische „cables“ an Wikileaks geschickt.

Wieder zu einer ähnlichen Zeit (1:39 am Nachmittag). Manning: „Ich kann nicht glauben, was ich dir hier gestehe :’(“

1 Minute darauf: „Ich bin schon so lange isoliert gewesen... Ich wollte nur nett sein und ein normales Leben führen... Aber die Ereignisses zwangen mich stets dazu, mir Wege auszudenken, um zu überleben... Schlau genug, um zu wissen, was los ist, aber hilflos, irgendetwas zu tun... Niemand hat mich wahrgenommen.“ Er fügt abermals ein :’( an.

2 Minuten später schreibt Lamo: „Zurück.“ Und Manning setzt fort: „Ich medikamentiere mich selbst wie verrückt, wenn ich nicht im Versorgungsbüro bin (mein neuer Arbeitsplatz, seit meine Entlassung läuft bin ich kein offizieller Geheimdienstler mehr)“
Und kurz darauf: „Du hast eine Menge verpasst...“
Lamo fragt kurz danach: „Was für eine Art von Skandal?“ und Manning antwortet: „Hunderte davon“. Lamo:“Wie zum Beispiel? Ich bin ehrlich neugierig auf Einzelheiten.“

Manning: „Ich weiß nicht... Es sind so viele... Ich habe das Originalmaterial nicht mehr“, dann:
„Mhmm... der Heilige Stuhl und seine Position zu den Sexskandalen des Vatikans.“

Lamo: „Improvisiere“ (Play it by ear)

Manning: “Die Grillerei [hier wohl i.S.v. "strenges Verhör" gemeint] in Deutschland” Eine Minute Pause, dann: “Es tut mir leid, es sind so viele… Es ist unmöglich für irgendeinen Menschen all diese Viertelmillionen zu lesen… und sich nicht überwältigt zu fühlen… und wahrscheinlich desensibilisiert“ – „Das Ausmaß ist so groß... und doch an Tiefe so reich“.

Lamo: „Gib mir etwas echtes (bona fides)... Weisse? Irgendwas Spezifisches.“

Manning: „Dieses eine war ein Test: Klassifizierte Nachricht von der US-Botschaft Reykjavik über Icesave vom 13. Januar 2010.“ Er fährt fort: „Das Ergebnis davon war, dass der isländische Botschafter für die USA zurückberufen und gefeuert wurde.“ Und: „Das ist nur eine Nachricht...“

Lamo: „Irgendetwas unveröffentlicht?“

Maning: „Ich müsste Assange fragen“ und „Ich hab das Original ausgenullt“

Lamo: „Warum antwortest du ihm?“

Manning: „Das tue ich nicht... Ich wollte nur das Material da draußen haben... Ich will nicht Teil davon sein“

4 Minuten später erklärt er: „Ich bin eine Quelle, kein Mitarbeiter“ und: „Ich meine, ich bin eine hochbekannte Quelle... Und ich habe eine Beziehung zu Assange entwickelt... Aber ich weiß nicht viel mehr, als was er mir erzählt, was sehr wenig ist“ und „Es kostete mich vier Monate, abzusichern, dass die Person, mit der ich kommunizierte, wirklich Assange war“

Erst vier Minuten später Lamo’s Rückfrage: „Wie hast du das gemacht?“

Abermals fast drei Minuten später: „Ich sammelte mehr Infos, wenn ich ihn befragte, wann immer er in Schweden von Leuten des State Departments beschattet wurde... Ich versuchte herauszufinden, wer ihn verfolgte... und warum... und er erzählte mir Geschichten davon, wie er zu anderen Zeiten verfolgt worden war... Und sie passten zu jenen, die er in der Öffentlichkeit erzählt hat“

Lamo: „War das die Bestätigung? Die Überwachung?“

Manning: „Aufgrund der Beschreibung, die er mir gab, schätzte ich, dass es das Nordeuropäische diplomatische Sicherheitsteam war... die versuchten herauszufinden, wie er an die Reykjavik-Nachricht gekommen ist...“ Dann: „Sie bekamen auch Wind davon, dass er ein Video hat... von dem Gharani Luftangriff in Afghanistan, welches er hat, aber bisher noch nicht entschlüsselt... Das Produktionsteam arbeitete jedoch tatsächlich an dem Bagdadangriff, das nie wirklich verschlüsselt war“ und „Er hat den ganzen 15-6 dieses Vorfalls... also wird es nicht einfach ein Video ohne Zusammenhang“ (15-6 bezieht sich wohl auf  die Army Regulations, 15-6 und betrifft interne Untersuchungen.) weiter „Aber nicht annähernd so schädlich... Es war ein übler Vorfall, aber nichts wie das in Bagdad“ – „Die Untersuchungsoffiziere ließen das Material ungeschützt, es liegt in einem Verzeichnis auf einem centcom.smil.mil“ – „Server“ – „Aber sie haben es komprimiert, aes-256, mit einem exzellenten Passwort... soweit ich weiß, ist es bisher nicht geknackt worden“ – „Über 14 Zeichen...“ – „Ich kann nicht glauben, was ich dir erzähle =L“

23. Mai 2010

Dieses Mal setzt der Chat um 7:19 morgens ein.

Lamo: „Hallo du“ – „Wieder auf Sendung? (Resend?)“

Manning: „Was gibt’s?“ – „Ich hab gerade hallo gesagt“

Lamo: „Wache gerade auf. Bin vor etwa einer Stunde aufgestanden, 0615.“

Manning: „Ha, der Abend ist noch jung hier“

Lamo: „Wie fühlst du dich heute?“

Manning: „Ich fühle mich etwas besser...“ „Ich hatte vieles im Kopf, dass ich für mich selbst behielt“

Lamo: „Irgendwas Neues & Aufregendes?“

Manning: „Nein, war den ganzen Tag draußen in der Sonne... 110 Grad Fahrenheit, hab verschiedene Vorbereitungen für eine Band und ein paar College Team Cheerleader gemacht, die zu Besuch sind...

Lamo: „Cheerleader.“

Manning: „Hab ein Barbeque gemacht... Aber keiner ist vorbeigekommen... hab ne Menge Essen weggeschmissen“ – „Ja, Football Cheerleader... zu Besuch außerhalb der Saison... abseits von Morale Welfare and Recreation (Moralische Wohlfahrt und Erholung) (MWR) Projekten“

Lamo: „*seufz*“

Manning: „>schulterzuck<“ – „Ich hab Sonnenbrand... und rieche wie Grillkohle, Schweiß und Sonnencreme... Das ist alles an Neuigkeiten“

Lamo: „Gibt es ein Bagdad 2600 Treffen? ;>“

Manning: „Es gibt nur eine einzige weitere Person, die ich kenne, die tatsächlich etwas über Computersicherheit weiß... Er ist ein SIGINT Analyst, natürlich“

Lamo: „Ist er der andere, der im Netzwerk herumstochert?“

Manning: „Nein... soweit ich weiß, spielt er nicht mit klassifizierten Netzwerken herum... aber ich bin sicher, er ist in der Lage dazu“

Lamo: „Dann bleibt zu überlegen, dass du mindestens 3 Leute hast, die einiges Wissen über Informationssicherheit haben“

Manning: „Ich bin mir nicht sicher, was du sagen willst“ – „Informationssicherheitswissen über was?“ – „Die Netzwerke?“ – „Ich kenne eine Menge Computersicherheitsleute“

Lamo: „Ich meine es so, dass sich auf gewisse Art ein Treffen anbietet.“ – „Ich schreibe gerade an einer Mitteilung, um zu versuchen Treffen weltweit zusammenzuziehen, mit einer Stichprobe von nur etwa 3000 Leuten, mit denen man zusammenarbeitet und hinausgeht und missioniert, so habe ich es im Kopf“

Manning: „Nicht wirklich... Verschiedene Typen von Menschen... wissen, wie, aber tun es nicht“ – „Du möchtest nicht, dass diese Leute sich treffen“ – „Doch... ich glaube, das möchtest du“

Hier fehlt nun fast eine halbe Stunde, es geht um 8:01 weiter.

Lamo: „Benutzt Assange AIM oder andere Messaging Dienste? Ich würde gerne dieser Tage mal mit ihm über opsec chatten. Meine einzigen Empfehlungen jenseits des Eindringens sind die, dass das FBI niemals meine Daten bekommen hat oder mich gefunden hat, bevor über meine Aufgabe verhandelt wurde, aber das ist etwas.“ – „Und meine Daten wurden nie entdeckt.“

Manning: „Nein, er benutzt nicht AIM“

Lamo: „Wie würde ich an ihn herankommen?“

Manning: „Er würde zu dir kommen“

Lamo: „Es ist mir noch nie misslungen, an jemanden heranzukommen.“

Manning: „Er benutzt aber OTR... aber redet über nichts, was OPSEC ist“

Lamo: „Ich habe Ashcroft IRL am Schluss in die Ecke gedrängt.“

Manning: „Er *könnte’ den ccc.de Jabber Server benutzen... Aber das hast du nicht von mir gehört“

Lamo: „Hab dich“

Manning: „Ich werd mir was zum Abendessen greifen, sprechen uns später (ttyl = talk to you later)

Lamo: http://www.facebook.com/photo.php?pid=31130826&id=704990  (verweist auf ein Foto von Ascroft auf Lamos Facebook-Seite) – „Ich bin auch nicht durch die Security gegangen, oder eher, ich bin ;->“ – „Genieß das Abendessen.“ – „Wir sehn uns. (twys = talk with you soon)“

Eine Pause von einer guten halben Stunde.

Manning: „Zurück“ – „Interessant... Marineuniform... illegal, aber sicher einfach“ – „Warum Ashcroft?“ – „Oh, vergiß es... DoJ (Department of Justice)“ – “>gähn<” – “Ich kenne mich wirklich nicht mit FBI Sachen aus” – “Amerikaner haben soviel mehr Rechte als Nicht-Amerikaner” – “Es ist schrecklich”

Eine viertel Stunde später. Lamo: „Ashcrofts DOJ hat versucht den USA Patriot Act bei mir zu benutzen.“ Nach 20 weiteren Minuten: „Bist du da?“

Es vergehen weitere 6 Minuten: „Ja.“

Lamo: „Bist du zufällig Baptist?“

Manning: „Katholisch erzogen...Hab nie ein Wort davon geglaubt“ – „Ich bin gottlos... Aber ich glaube ich folge humanistischen Werten“ – „Habe gewöhnliche Hundemarken, auf denen „Humanist“ steht[...] – „Ich war die einzige nichtreligiöse Person in der Stadt“ – „Mehr Kirchenbänke als Menschen“ – „Doch ich verstehe sie“ – „Ich bin nicht gemein zu ihnen... Sie wissen es wirklich nicht“ – „Ich widerspreche höflich... aber sie sind diejenigen, denen unwohl wird, wenn ich, sehr höflich, gute führende Punkte nenne...“ – „(Mit führenden Punkten meine ich, frage viele Fragen ohne offensichtliche Antworten, dann stelle eine Frage, die auf den Antworten auf die vorherigen Fragen basiert, die ihre normale Antwort auf dieselbe Frage anfechtet) – „[Exzellentes Beispiel dafür: http://www.youtube.com/watch?v=2yhN1IDLQjo] (Ausschnitt aus einer britischen Comedy-Sendung über manipulative Befragungen.) – „Der New Yorker bringt einen 10.000-Wort-Artikel über wl.org am 30. Mai, nebenbei gesagt.“

Lamo: „Moment, Telefon“

Manning: „(Aufspürungsgerät)” – „Vertrauenslevel steigend? [quantifizieren]“

Hier endet das Protokoll für diesen Tag um 10:37.

25. Mai 2010

Es wird erwähnt, dass Lamo Manning danach gefragt hat, ob es ihn beunruhigt, dass die Armee die Wikileaks-Sache untersucht. Manning erwidert, alles sei nullifiziert, also total gelöscht worden. Er erzählt auch, dass er McCord, der in dem Video zu sehen ist, bei Facebook als Freund kontaktiert habe.

Es beginnt um 2:03 in der Nacht.

Manning: „Erstaunlich, wie die Welt funktioniert“ – „Es braucht 6 Grad der Trennung zu einem absolut neuen Level“

Lamo: „Hey, Vacaville“ – „Äh“ – „Vacaville“

Manning: “Es ist fast selbst ein Buch wert, wie es sich abspielt” – “Ereignis findet 2007 statt, ich sehe Video in 2009 ohne Hintergrundwissen, recherchiere, gebe Information an FOI Aktivisten weiter, mehr Recherche folgt, Video wird 2010 veröffentlicht, die Beteiligten kommen heraus, um Ereignis zu diskutieren, ich bin Zeuge, wie die Beteiligten hervorkommen und es öffentlich diskutieren, füge sie sogar meiner Freundesliste bei FB hinzu… ohne dass sie wissen, wer ich bin.” – „Sie berühren mein Leben, ich berühre ihr Leben, sie berühren abermals mein Leben... voller Kreis“

Lamo: „Das Leben ist witzig.“ – „*Beiläufig* Machst du dir Sorgen, dass CI/CID in deine Wiki-Sachen guckt? Ich war immer paranoid.“

Manning: „CID führt keine offene Untersuchung“ – „State Department wird überangepisst sein... Aber ich glaube nicht, dass sie in der Lage sind alles zurückzuverfolgen...“

Lamo: „Was ist mit CI?“

Manning: „Möglicherweise eine Kongressuntersuchung und ein gemeinsames Bemühen, herauszufinden, was passiert ist“ – „CI hat es wahrscheinlich wahrgenommen, aber es hatte keine Wirkung auf Operationen“ – „Also, hat es öffentlich Schaden angerichtet, aber es hat nicht die Angriffe oder die Rhetorik verstärkt...“

Lamo: nick

Manning: „Re: Gemeinsame Anstrengung wird nur reine politische „Tatsachensuche“ sein... „Wie können wir verhindern, dass dies noch mal passiert“ – „Bezüglich State Department. Meldungen“

Lamo: „Kamen die Meldungen vom Staat?“

Manning: „Ja“ – „State Department“

Lamo: “Ich war immer ein kommerzieller Eindringling.” – „Wieso bietet dir dein Job den Zugang an?“ – „Außer zur UN.“

Manning: „Weil ich eine Workstation habe“

Lamo: „und Weltbank.“

Manning: „*Hatte*“

Lamo: „Also hast du diese Dinge jetzt gespeichert?“

Manning: „Ich hatte zwei Computer... einer war ans SPIRNET angeschlossen, der andere an JWICS...“ – „Nein, es sind Regierungs-Laptops“ – „Sie wurden ausgenullt“ – „Wegen des Rückzugs“ – „Beweise wurden vernichtet... vom System selbst“

Lamo: „Wie hast du also die Cables benutzt? Wenn überhaupt.“

Manning: „Oh nein... Cables sind Berichte.“

Lamo: „ah“

Manning: „State Department Cable = ein Memorandum“

Lamo: “Botschafts-Cable?”

Manning: “Ja” – “260.000 insgesamt” – “Ich hab das vorher schon erwähnt”

Lamo: „Ja“ – „Lokal gespeichert oder abrufbar?“

Manning: „Bin gleich wieder da (brb= be right back) Latrine =P“

Später: „Ich hab keine Kopie mehr“

Lamo nick

Manning: „Sie waren auf einem zentralisierten Server gespeichert...“

Lamo: „Wie sieht dein Plan für’s Endspiel also aus?“

Manning: „Es war ungeschützt wie Scheiße (as fuck)“ – „Nun, es ist an WL weitergeleitet worden“ – „Und Gott weiß, was jetzt passiert“ – „Hoffentlich weltweite Diskussion, Debatten und Reformen“ – „Wenn nicht... dann sind wir verloren“ – „Als Spezies“ – „Ich werde diese Gesellschaft offiziell aufgeben, wenn nichts geschieht“ – „Die Reaktion auf das Video hat immense Hoffnung in mir geweckt... CNNs IReport war überwältigend... Twitter explodierte...“ – „Menschen, die es sahen, wussten, da läuft was falsch“ – „Washington Post saß auf dem Video... David Finkel bekam eine Kopie, währened er dort draußen eingebettet war“ –„[auch ein Grund, warum wahrscheinlich keine Untersuchung läuft]“ – „Ich möchte, dass die Menschen die Wahrheit sehen... unabhängig davon, wer sie sind... denn ohne Information kann man keine informierten Entscheidungen als Volk treffen“

Lamo: „Ich bin gerade nicht da“

Manning: „Hätte ich damals gewusst, was ich jetzt weiß... so etwa...“ – „Oder vielleicht bin ich einfach jung, naiv und dumm...“

Lamo: „Was glaubst du?“

Manning: „Ich hoffe, das erstere“ – „Es kann nicht das Letztere sein“ – „Denn wenn es das ist... sind wir beschissen angeschmiert“ – „(als Gesellschaft)“ – „Und ich möchte nicht glauben, dass wir angeschmiert sind“ – „Essenszeit... ttys“

12 Stunden später, 14:26.

Manning: „Ich glaube nicht mehr an Gute Jungs gegen Schlechte Jungs...ich nur (sic!) eine Fülle an Staaten, die aus Selbstinteresse handeln... mit wechselnden ethischen und moralischen Standards natürlich, aber nichtsdestotrotz Selbstinteresse“ –„s/only/only see/“

Lamo: „Der tm meinte, ich sei witzig“

Manning: „Erwischt“ – „Ich meine, wir sind irgendwie besser... wir sind tiefgründiger... benutzen viel mehr Worte und legale Techniken um alles zu legitimisieren“ – „Das ist besser, als irgendwo mitten in der Nacht zu verschwinden“ – „Aber nur, weil etwas tiefgründiger ist, macht es das nicht rechtens“ – „Ich glaube, ich bin zu idealistisch“ – „Ich denke, was mich am meisten gefangen hält... was mich die Welt mehr als alles neu überdenken ließ“ – „War zuzuschauen, wie die irakische Föderale Polizei 15 Gefangene machte... wegen Druckens von „Anti-Irak-Literatur“... die irakische Föderale Polizei würde nicht mit den US Streitkräften zusammenarbeiten, also wurde mir befohlen, die Sache zu untersuchen, herauzufinden, wer die „bösen Jungs“ waren und wie wichtig dies für die FP sei... Es stellte sich heraus, dass sie eine wissenschaftliche Kritik an PM Maliki gedruckt hatten... Ich hatte einen Übersetzer, der es mir vorlas... und als ich herausgefunden hatte, dass es eine freundliche politische Kritik mit dem Titel „Wo ist das Geld hin?“ war, die den Korruptionspfaden innerhalb des Kabinetts des PMs folgte... nahm ich sofort die Informationen und rannte zum Offizier, um zu erklären, was vor sich ging... Er hörte sich gar nichts davon an... Er sagte mir, ich solle den Mund halten und erklären, wie wir der FP helfen könnten, MEHR Gefangene zu machen... (finden)“

Lamo: „Ich bin gerade nicht hier“

Manning: „Alles kam danach ins Rutschen... Ich sah die Dinge anders“ – „Ich habe immer in Frage gestellt, ob die Dinge funktionierten und ich habe geforscht, um die Wahrheit zu finden... Aber das war ein Punkt, wo ich Anteil an etwas hatte... Ich war aktiv involviert in etwas, wo ich total dagegen war...

Lamo: „Das könnte in Kolumbien passieren.“ – „Verschiedene Kulturen, Kumpel.“ – „Das Leben ist billiger.“

Manning: „Oh, dessen bin ich mir bewusst“

Lamo:“Was würdest du tun, wenn deine Rolle mit Wikileaks in Gefahr zu sein schiene, aufzufliegen?“

Manning: „Aber ich war Teil davon... und komplett hilflos...“

Lamo: „Manchmal sind wir alle hilflos“

Manning: „Versuche dir auszumalen, wie ich meine Seite der Geschichte nach draußen bekomme... bevor alles verdreht ist und mich wie Nidal Hassan aussehen lässt“ – „Ich glaube nicht, dass das passieren wird“ – „Ich meine, ich wurde nie bemerkt“ – „Regelrecht ignoriert... außer wenn ich etwas Wesentliches hatte... dann ging es zurück zum „Bring mir Kaffee, dann feg den Boden““ – „Ich hab das nie ganz verstanden“ – „Fühlte mich wie ein mißbrauchtes Arbeitspferd...“ – „Auch ist es eine (god) schreckliche Verantwortung an IP Adressen...“ – „Das Netzwerk wurde so viele Male auf den neuesten Stand gebracht und korrigiert... Systeme brachen zusammen, Logs gingen verloren... Und wenn etwas transportiert oder erneuert wurde... wurden die Laufwerke ausgenullt“ – „Es ist unmöglich viel auf diesen Feldnetzwerken zurückzuverfolgen...“ – „Und wer würde ehrlich erwarten, dass so viel an Information aus einem Feldnetzwerk herausgefiltert würde?“

Lamo: „Ich wäre ein einziger paranoider Junge in deinen Schuhen.“

Manning: „Das CM Video kam von einem Server in unserer Domain! Und nicht eine einzige Person bemerkte es“

Lamo: „CM?“

Manning: „Apache Waffenteam Video vom 12. Juli 2007 Luftangriff auf Reuters Journalisten... einiges unklares aber recht normales Straßenvolk... und Zivilisten“

Lamo: „Wie lang zwischen Weitergabe und Publikation?“

Manning: „Irgendwann im Februar“ – „Es wurde hochgeladen“

Lamo: „Wo hochgeladen? Wohin würde ich etwas senden, wenn ich ähnlich üble Daten hätte“

Manning: „Mhm... vorzugsweise openssl die Datei mit aes.256... dann benutze sftp bei veränderter Wegwerf-IP-Adresse „ – „Bewahre den Schlüssel getrennt auf... und lade es über ein anderes Gerät hoch“

Lamo: „Ich selbst wäre SOL ohne Möglichkeit etwas zu verändern.

Manning: „Nicht unbedingt... Die HTTPS Übertragung sollte rechtlich ausreichen... Doch ich würde Tor darüber benutzen.“ – „Aber du bist (sic!) Daten werden beobachtet“ – „*Deine“ – „von jemandem, mehr als wahrscheinlich“

Lamo: „Übertragung nach wo?“

Manning: „wl.org Übertragungssystem“

Lamo: „In der massiven Warteschlange?“

Manning: „Lol, ja, die IST wirklich massiv“ – „vergraben“ – „Ich verstehe, was du meinst“ – „Langzeitquellen werden bevorzugt... Ich sehe, wo der „Unfairness“-Faktor ins Spiel kommt“

Lamo: „Wie funktioniert dieses Bevorzugungs-Netzwerk?“

Manning: „Aufrichtigkeit... das Material ist leicht zu verifizieren...“ – „Denn sie wissen etwas mehr über die Quelle als bei einer rein anonymen“ – „Und öffentliche Bestätigung früherer Materialen würde sie wahrscheinlich eher dazu bringen, zu veröffentlichen ... glaube ich“ – „Ich sage nicht, dass sie es tun... aber ich kann sehen, wie es ablaufen könnte“ – „wenn zwei der größten Public Relation „Coups“ aus einer einzigen Quelle gekommen sind... zum Beispiel“ – „Du ja... einfach nur Material zu senden wird wohl eher übersehen ohne sie über andere Wege zu kontaktieren und zu sagen Hey, schaut euch die Übersendung für X an...

5 Minuten später – unklar, ob hier etwas zensiert wurde.

Manning: „Ich erkannte den Wert einiger Dinge...“ – „Wusste, was sie bedeuteten... grub tiefer“ – „Ich sah zum Beispiel das Video unbefangen (cold)“ – „Auf den ersten Blick... war es ein Haufen Kerle die von einem Hubschrauber niedergeschossen wurden... nichts besonderes... etwa zwei Dutzend mehr von da wo dieses her war... Aber etwas kam mir seltsam vor bei der Sache mit dem Van... und all die Tatsachen waren in dem Verzeichnis des JAG Offiziers gespeichert... Also sah ich hinein... fand schließlich das Datum heraus und dann die exakten GPS-Koordinaten... Und es war wie... Ok, also das ist passiert... Cool... Dann ging ich ins reguläre Internet... Und es war immer noch in meinem Kopf... Also tippte ich es bei Goog(el) ein... das Datum, und den Ort... und dann sehe ich das http://www.nytimes.com/2007/07/13/world/middleeast/13iraq.html“ - „Ich behielt das für Wochen in meinen Gedanken... wahrscheinlich einen Monat und einen halben... bevor ich es weitergeleitet habe an [Wikileaks]“ – „Dann gab es das Finkel Buch“ – „Ich bin fast sicher, er hatte eine Kopie“  Damit endet das Zitat um 3:12.

Weiter geht es mit 1:52 nachmittags ohne dass ein neues Datum genannt wird.

Manning: „Das Witzige ist... wir haben soviel Daten auf unmarkierten CDs transferiert“ – „Jeder machte das... Videos... Spielfilme... Musik“ – „Alles ganz öffentlich“ – „CDs zum Netzwerk mitzubringen und von dort mitzunehmen war/ist ein allgemeines Phänomen“

Lamo: „Hast du so die Cables rausgebracht?“

Manning: „Vielleicht“ – „Ich kam gewöhnlich mit Musik auf CD-RW“ – „Sie waren mit so etwas wie „Lady Gaga“ beschriftet... lösche die Musik... dann schreibe eine komprimierte Split-Datei“ – „Niemand hatte einen Verdacht“ – „=L Irgendwie traurig“

Lamo: „Und das Merkwürdige ist, sie werden nie einen haben“

Manning: „Ich musste nicht einmal etwas verstecken“

Lamo: „Aus professioneller Sicht bin ich neugierig, wie der Server auf dem sie waren, unsicher war.“

Manning: „Du hattest Leute, die 14 Stunden am Tag arbeiteten... jeden einzelnen Tag... Keine Wochenenden... Keine Freizeit...“ – „Nach drei Wochen hörten die Leute auf, sich drum zu kümmern“

Lamo: „Ich meinte technischer Art“ – „Oder war es physisch“

Manning >nick< - „Es gab keine physische Sicherheit“

Lamo: „Es war physischer Zugang oder nicht“ – „Hah“

Manning: „Es war da, aber nicht wirklich“ – „5 Zeichen Ziffern-Schloß... aber du konntest die Tür klopfen...“ – „*An“ – „Waffen, aber jeder hat Waffen“ – „Alle saßen nur an ihren Workstations... sahen Musikvideos / Autojagden / explodierende Gebäude... und schrieben Sachen auf CD/DVD... die Kultur fütterte (fed) Gelegenheiten“ – „Das schwierigste ist vermutlich der Internetzugang... Sensible Daten über das offene Internet hochzuladen ist eine schlechte Idee... da Netzwerke beobachtet werden nach Aufrührer/Terroristen/Militär/Kriminellen-Typen

Lamo: „Tor?“

Manning: „Tor + SSL + SFTP“

Lamo nick – “Nicht ganz, wie ich es täte, aber gut”

Manning: „Ich hab sogar den NSA-Typen gefragt, ob er irgendwelche verdächtigen Aktivitäten, die aus lokalen Netzwerken kommen, finden könnte... Er zuckte mit den Schultern und sagte... „Das hat keine Priorität“ – „Ging dann wieder, um „Eagle Eye“ zu schauen.“

Lücke von fast neun Minuten.

Manning: „So... war es also ein massiver Datenüberlauf... ermöglicht durch zahlreiche Faktoren... sowohl physisch, technisch, und kulturell“ – „Perfektes Beispiel, wie man keine Informationsicherung betreibt“ – „ich hörte und bewegte die Lippen zu Lady Gagas Telephone, während ich die wahrscheinlich größte Datenmenge in der amerikanischen Geschichte herausfiltertete“ – „sehr einfach und unglamourös“ – „*herausfilterte“ – „Schwache Server, schwache Protokollierung, schwache physische Sicherheit, schwache Spionageabwehr, unaufmerksame Signalanalyse... ein perfekter Sturm“ - >seufz< - „Klingt ziemlich schlecht, he?“

Lamo: „Irgendwie >:( “

Manning: „:L“

Lamo: „Ich meine für’s .mil“

Manning: „Nun, es SOLLTE besser sein“ – „Es ist traurig“ – „Ich meine, was, wenn ich jemand Boshafter wäre“ – „Ich hätte an Russland oder China verkaufen können und Kasse machen?“

Lamo: „Warum hast du’s nicht?“

Manning: „Weil es öffentliche Daten sind“

Lamo: „Ich meine die Cables“

Manning: „Sie gehören in die Public Domain“ – „Informationen sollten kostenlos sein“ – „Sie gehören in die Public Domain“ – „Denn ein anderer Staat würde lediglich die Informationen ausnutzen... versuchen, einen Vorteil zu bekommen.“ – „Wenn es erst mal draußen im Freien ist, sollte es zum öffentlichen Gut werden“ – (Er korrigiert *do the) – „eher als so ein schleimiger Intel Sammler“ – „Ich bin so verrückt“

Über eine Stunde wird ausgelassen, es geht weiter um 3:38 am Nachmittag.

Manning: „Es ist kein besonderes Bild, aber hier ist Harry Ponting http://farm4.static.flickr.com/3161/2814062024_c39d25f27d.jpg der Mann, dessen Mission es ist die Zuwendungen des NCD beim State Department, Militär und IC auszuverkaufen.“ „Der Kerl tut mir schrecklich, schrecklich Leid“ – „Ich bin kein schlechter Mensch, behalte alles  im Blick“ – „Ich sehe, wie das Ganze sich entfaltet... aus der Ferne“ – „Ich lese, was jeder sagt... schaue Bilder an... beobachte ...und fühle mit ihnen“ – „Während ich grundsätzlich eine entscheidende Rolle in ihrem Leben spiele“ – „Ohne sie je zu treffen“

Lamo: „Ich kenne das Gefühl in gewisser Weise.“

Manning: „Die meisten kümmerten sich nicht... aber ich wusste, ich spiele eine Rolle in den Leben von Hunderten von Menschen, ohne dass sie sie kannten... Aber ich kümmerte mich, blieb bei einigen Details am Ball, um sicherzustellen, das es jedem gut ging.“ – „dass sie mich kannten“ – „Ich denke von mir nicht als jemanden, der „Gott“ oder irgendwas spielt, denn ich bin’s nicht... Ich spiele meine Rolle nur für den Moment... Ich kontrolliere nicht die Art, wie sie reagieren“ – „Es gibt weitaus mehr Leute, die das tun, was ich tue, im Staatsinteresse, täglich, und sich nicht scheren“ – „So versuche ich mich selbst zu unterscheiden“ – „Von meinen (früheren) Kollegen“

Eine dreiviertel Stunde bleibt undokumentiert.

Manning: „Oh, die JTF GTMO Papiere... die hat Assange auch“

Lamo „Hab’s gelesen.“ – „Irgendwas anderes Interessantes auf seinem Tisch, als früherer Sammler von interessanten .com Infos?“

Manning: „Ich weiß nicht... Ich weiß nur, womit ich ihn versorge xD“

Lamo: „Was hältst du für die Highlights?“

Manning: „Das Gharani Luftangriffsvideo and der volle Bericht, Irakkrieg Ereignisprotokoll, die „Gitmo Papiere“ und die State Department Cable-Datenbank“

Lamo: „Nicht zu schäbig.“

Manning: „Das ist nur meine Meinung...“ – „Weiß über den Rest nichts... er hat hoffentlich mehr“

Kurze Pause mit Rausschnitt.

Manning: „Ich bin nicht sicher, ob man über mich als eine Art von „Hacker“, „Cracker“, „Hacktivist“, „Informant“ oder was denkt...“ – „Ich bin einfach ich... wirklich“ – „es fängt an wie jedes Physik/Astronomie-Klassen Intro... immer“

Lamo: „Ich bin gerade nicht hier“

Manning: „Wenn gleich ohne die algebraischen Beweise“

Lamo: „Oder ein Spion J

Manning: „Ich könnte kein Spion sein...“ – „Spione posten keine Sachen damit die Welt sie sehen kann“

Lamo: „Wieso? Wikileaks wäre die perfekte Tarnung“ – „Sie posten, was nicht brauchbar ist“ – „Und behalten den Rest“

Hier endet die von Wired.com herausgegebene Fassung. Merkwürdig, dass die Datierung am 25. aufhört und dann wieder Uhrzeiten genannt sind, die nur den Schluss lassen, dass das letzte
„Gespräch“ am 26. Mai stattfand und bis in den Morgen des 27. Mai andauerte, denn laut Meldungen wurde Manning am 26. Mai verhaftet. Vermutlich ein Redationsfehler.

Absicht ist aber offenbar, den Verdacht gegen Wikileaks am Schluss in den Raum zu stellen. Auch hier kann man sich nur wieder wundern, wieso Lamo immer wieder um Spenden wirbt, wenn er diese Ansicht vertritt.

Die Washington Post hatte für ihren Artikel am 11. Juni offenbar mehr als nur die zensierte Version zur Verfügung. Dort weiß man alles über Mannings Verwandtschaftverhältnisse und sogar seine Körperstatur. Besonders merkwürdig mutet allerdings an, dass Manning die Daten zunächst an einen
„weißhaarigen Australier“ geschickt habe, den er später als Julian Assange identifizieren konnte. Das klingt eher nach geheimen Treffen mit dem großen (weißhaarigen) Unbekannten als nach Kontakten über das Internet. Hat Assange ihm ein Foto geschickt, aber nicht seinen Namen genannt?

Vielsagend ist auch die Aussage von Armeesprecher Lt. Col. Eric Bloom, dass Manning erst letzten Monat degradiert wurde, weil er einen Kameraden angegriffen hatte. Auch widerspricht er der Behauptung, Manning habe die Entlassung bevorgestanden. Sosehr Manning als frustrierter junger Mann dargestellt wird, die Degradierung kann also nicht Grund für die Weitergabe der Daten an Wikileaks gewesen sein, da dies bereits vorher geschah.

Lamo wusste also sehr wohl, dass er die Weitergabe sensibler Daten nicht mehr verhindern konnte. Entweder hatte er also nur um sich selber Angst – wie er einmal selbst gesagt hatte – oder aber er rechnete tatsächlich damit, dass man gegen Wikileaks vorgehen würde – der Organisation, die er unterstützt und für die er wirbt.

Die merkwürdigste Behauptung stellte Jason Mick von DailyTech auf. Er war bei seinen eigenen Lesern in die Kritik geraten, weil er zuerst sehr böse über Adrian Lamo geschrieben hatte, dann aber plötzlich eine Kehrtwende machte und dessen Haltung lobte. In die Kritik gekommen, verteidigte er seine Meinungsänderung: „Ich hatte nicht die Gelegenheit, die diplomatischen Mitteilungen zu prüfen. Lamo jedenfalls HAT ES, und er erzählt mir, sie nannten einige spontane, unvorteilhafte Dinge über Auslandsbeziehungen, welche vermutlich aus dem Kontext gerissen würden.“

Auf meine Anfrage per email, wie er darauf komme, dass Lamo mehr Einblick hätte, als bisher bekannt, hat er nie geantwortet. Sowohl aus dem Chat-Protokoll oben als auch aus seinem Interview mit Patrick Grey erschließt sich eindeutig, dass Lamo eben keine Details kennt.

Stellt sich die Frage, wer hier welche Rolle spielt. Denkbar wäre tatsächlich die Version, die die US-Regierung vermutet: Alles stimmt und Wikileaks spielt mit Worten, denn sie streiten nur ab, dass sie 260.000 Mitteilungen hätten und relativieren es mit „soweit wir wissen“. Daraus deuten viele, dass es sich eben um eine andere Anzahl handelt.

Merkwürdig ist aber, dass Manning selbst nichts Konkretes nennen konnte. Man sollte doch meinen, dass ihn das ein oder andere sehr beeindruckt hat. Die ganze Angelegenheit bleibt dubios und die grundsätzliche Frage „Wer profitiert davon?“ bringt einen hier auch nicht weiter. Die US-Regierung sieht ihren Wunsch erfüllt, einen Informanten aufzudecken und andere potentielle Informanten abzuschrecken. Paradoxerweise beschert sie damit gleichzeitig Wikileaks eine enorme kostenlose PR-Kampagne, wobei das Ganze jetzt auch noch mit dem Beschluss des isländischen Parlaments zusammen fällt, Island zu einem sicheren Hafen für Informationen und Informanten zu machen – wobei Wikileaks an der Ausarbeitung der Vorschläge beteiligt war.

Und Adrian Lamo genießt mal wieder die Aufmerksamkeit, selbst die Drohungen, und twittert fröhlich den ganzen Tag mit der Abgeklärtheit eines Menschen, der halt über den Dingen steht.

Eine win – win-Situation für alle Beteiligten, könnte man fast meinen. Nur Bradley Manning sieht einer unsicheren Zukunft entgegen. Und Assange muss fürchten, dass man ihn aus dem Verkehr zieht. Und Lamo muss fürchten, dass jemand seine Drohung wahr macht, zumal er alle paar Stunden gerne seinen Aufenthaltsort öffentlich twittert.
Sieht man es aus dieser Perspektive, so nutzt es doch der US-Regierung am meisten.

(c) 2010 by Horst Wilden