Freitag, 25. Juni 2010
Die Affäre Manning - Abgründe und Hintergründe
Der Fall Bradley Manning nimmt immer kuriosere Züge an. Manning ist seit Ende Mai in Gewahrsam des Militärs, nachdem er dem Hacker Adrian Lamo in einem Chat gestanden haben soll, dass er geheime Informationen an die Organisation Wikileaks weitergeleitet habe.

Seither erntet Lamo im Internet viel Kritik und auch mal Lob, für den unbekannten Manning entstehen Seiten, die ihn als Helden feiern und seine Freilassung fordern. Dabei ist Manning bisher nur eine virtuelle Figur, die man nur aus den Artikeln kennt, die sich allesamt auf Lamo berufen.

Zwar wurde mit der Veröffentlichung eines Teils der Chat-Protokolle bei Wired.com etwas klarer, worum es eigentlich geht, aber diese Protokolle waren stark editiert und enthielten nichts wirklich Greifbares. Die Washington Post hatte offenbar mehr oder andere Teile der Protokolle zur Verfügung, zitierte aber nur einzelne Passagen.

Nun tauchte dieser Tage eine Textdatei im Internet auf, die sowohl die bisherigen Chat-Protokolle ergänzt, als auch Teile aus Chats zwischen Adrian Lamos (Noch-)Ehefrau Lauren und seinem Ex-Kumpel Nadim K. wiedergibt. Adrian Lamo selbst verlinkte am Mittwoch, dem 23.06., diesen Text auf seiner Facebook-Seite und wird seither nicht müde, diese Links unter fast jeden Kommentar zu setzen. Dabei betitelt er das Ganze mit „Wikileaks enthüllt die Wahrheit über Adrian Lamo“.

Tatsächlich heißt es in der einleitenden Erklärung, dass diese Datei an Wikileaks gesandt wurde, aber es ist Nadim, der sich zu der Veröffentlichung bekennt: „Infolge der jüngsten Bloßstellung Bradley Mannings durch Adrian Lamo, veröffentliche ich Chatprotokolle mit Lauren Lamo (Adrian Lamos Frau), die ihn in vielfacher Weise belasten.“ Insbesondere der Wired.com-Artikel über Lamos Asperger Krankheit sei absoluter Blödsinn gewesen.

Zunächst folgt ein kurzer Austausch zwischen ihm und Lamo vom 23. April:

Nadim: Ich habe jetzt die Kapazität, um Hackers Wanted zu verbreiten. Dass ich dich in dieser Sache in der Vergangenheit im Stich gelassen habe, hat einen Abdruck in meiner Erinnerung hinterlassen. Ich hab’s nicht vergessen.
Adrian: Wieso erträgst du mich? Ich bin oft ein Trottel, arrogant, total überzeugt von meinen Theorien und bereit, abzustürzen und zu verbrennen um meine Ansichten durchzusetzen. Mach keinen Fehler, du bist einer von ziemlichen wenigen Menschen, denen ich traue.

Es geht in diesem kurzen Austausch um die Dokumentation „Hackers Wanted“ von Sam Bozzo, die sich mit Lamos Hackerkarriere befasst, aber dann doch nicht auf den Markt kam, da es Streitigkeiten zwischen dem Produzenten und anderen im Team gegeben haben soll. Am 20. Mai diesen Jahres tauchte dann eine Raubkopie bei BitTorrent auf. Lamo hatte abgestritten, damit etwas zu tun zu haben.

Am selben Tag veröffentlichte Kevin Poulsen bei Wired.com einen Artikel über Lamo. In diesem Artikel wurde geschildert, wie Lamo Ende April selbst die Polizei rief, weil ihm eine Tasche mit seinen Medikamenten gestohlen worden war. Die Polizisten fanden aber Lamos Gestik und Sprache so verdächtig, dass sie ihn in eine Klinik brachten, wo er insgesamt neun Tage lang untersucht wurde und schließlich mit der Diagnose auf Asperger entlassen wurde.
Was tatsächlich los war, erfahren wir nun aus dem Chatprotokoll vom 29. April zwischen Lauren und Nadim:

Lauren: Er ist jetzt im Sacramento Mental Health. (Klinik für psychische Krankheiten) Nadim. Er will nicht, dass man mit ihm spricht.
Nadim: Warum eine psychische Institution?? Ist es wirklich so schlimm??? Ich bin geschockt und es schmerzt mich.
Lauren: Ja. Ist es dir nie an seiner undeutlichen Sprache aufgefallen und der Unfähigkeit, etwas zu Ende zu führen? So viele Medikamente.
Nadim: Ich habe lange nicht mehr mit ihm gesprochen. Aber ja, ich habe ihn erst letzte Woche mit seiner Unfähigkeit konfrontiert, Dinge zu Ende zu führen.
Lauren: Meine Liebe war nicht genug, um ihn zu einer Veränderung zu bewegen, und ich bedeutete die Welt für ihn.
Nadim: Ich dachte, er verändert sich überhaupt nicht! Ich dachte, er ging einfach nur auf Distanz zu mir!
Lauren: Ich habe ihn dazu gebracht, dass er sein Leben ändern wollte, Nadim. Und ich sage das nicht einfach nur, um zu prahlen oder um mich selber wichtiger erscheinen zu lassen.
Nadim: Und ich sagte zu mir selbst, ich lass ihn machen, da es wahrscheinlich wichtigere Dinge in seinem Leben gibt. Er hat niemals Drogen erwähnt. Nie. Ich habe ihn monatelang gefragt, was verdammt noch mal los sei – warum er so distanziert und schwer zu erreichen war. Er war so ein guter Gesprächspartner, als ich ihn das erste Mal traf.
Lauren: Er ist sehr sehr SEHR verschwiegen, wenn es um sein persönliches Leben geht.
Nadim: Ich vertraue darauf, dass er das ist.
Lauren: Er war eine Persönlichkeit, „Adrian Lamo“. Er denkt, er müsse dies aufrechterhalten.
Nadim: Ich weiss davon. Gott verdammt. So ein Geist. Es ist einfach hässlich. Dass so ein Geist so eine tragische Störung haben muss und gleichzeitig so unbedeutend. Warum verschreibungspflichtige Arzneimittel??? Ich sehe ein, dass der genaue Name der Mittel privat bleiben sollte, aber könntest du mir wenigstens sagen, welche Wirkung diese Mittel hatten? Ich meine, waren es Schmerzmittel? Amphetamine? Was?
Lauren: Das ist schwer zu erklären, er ist sehr empfindlich bei jeder Berührung seines Körpers bis hin zu seinem Puls im Hirn und zu den Nervenenden... Mit der Medizin, die er nimmt, reguliert er das alles, aber es ist einfach zu viel.
Nadim: Ah. Es wurden 2600-Artikel veröffentlicht über „Hacke dein Gehirn“ mit bestimmten „fördernden“ Medikamenten. Hat es damit zu tun?
Lauren: Es hat ihn verkrüppelt, so ein Leben zu leben. Und ohne die Medikamente kann er nicht funktionieren, denkt er jedenfalls. Nehme ich an. Beim ersten und einzigen Mal, dass er bei meinen Eltern zu hause in Phoenix war, stahl er einen Packen Medikamente meiner Mutter (eine Sorte, die er auch normal zu nehmen pflegte) und jagte uns am Morgen einen ziemlichen Schrecken ein.
Nadim: Adrian vertraut den Menschen nicht, aber macht seine ganze Funktionstüchtigkeit von Drogen abhängig? Ich bin wütend über ihn. Er hätte so einfach eine solche Falle vermeiden können.
Lauren: Er war so schlaff, dass er den Kaffee über sich selbst vergoss, verbrannte sich die Beine und fiel vornüber, wobei er Unsinn redete.
Nadim: Wie ist seine Version der Geschichte? Er muss eine Menge Argumente zu seiner Verteidigung konstruiert haben.
Lauren: Es bahnte sich schon seit geraumer Zeit an.
Nadim: L!
Lauren: Durch einen Film wurde mir vor Kurzem bewusst, wie es für Adrian und die, die außerhalb stehen, ist. Es war ein furchtbar kitschiger Film, aber es ging um die Anfänge von Alc-Anon. (Anm.: Sie meint wohl Al-Anon, Selbsthilfeorganisation für Alkoholiker.)
Nadim: Denkt er, dass die Leute um ihn herum es nicht verstehen? Dass sie übertreiben und falsche Signale wahrnehmen?
Lauren: Ja, und er denkt wir alle wollten nur, dass er „normal“ wird und keine Drogen mehr nimmt. Ihm ist nicht bewusst, dass er betrunken wirkt, nuschelt und schwankt. Die Hälfte der Zeit erinnert er sich nicht daran.
Nadim: Scheiß. Welche Behandlung bekommt er? Kommen seine Eltern klar?
Lauren: Einmal holte ich ihn ab, nahm ihn mit mir in die Klinik, wo ich an einem Samstag hinmusste. Bevor wir zur Klinik fuhren, fuhren wir zum Drive-In für ein McDonald’s –Frühstück. Ich bestellte für ihn einen Kaffee und zwei Frühstückssandwichs. Und gerade als wir vom Krankenhaus zurückkamen und nach unserem Nickerchen zu dem wir uns anschließend hingelegt hatten, da wachte er auf und sagte: „Oh, mein Gott, es tut mir so Leid, dass wir nicht zur Klinik gefahren sind.“
Tatsächlich wird er mit „Zeit“ behandelt. Unter Beobachtung, nur verschriebene Arzneimittel zu vorgeschriebenen Zeiten. Ich hab diesen Prozess selbst hinter mir, deshalb ist es sehr viel einfacher zu wissen, was er durchmacht.
Er wird an Beratungsgruppen teilnehmen müssen, zusammen mit anderen Süchtigen, ob Alkohol, harte Drogen, einfach psychisch Kranke oder Leute wie er selbst, Medikamentensüchtige.
Nadim: Ich wünschte wirklich, es gäbe etwas, was ich tun kann. Es ist schmerzhaft, dazusitzen und ihn leiden zu sehen.
Lauren: Er leidet nicht. Wir helfen ihm gerade dabei, das Leiden zu beenden.
Nadim: Als ihr ihm gesagt habt, dass ihr tatsächlich zur Klinik fahrt, wie hat er da reagiert?
Lauren: Seine Familie war so besorgt, dass sie über Notruf einen Krankenwagen/die Feuerwehr zu einem Ort beordert haben, von dem sie wussten, dass er dort herumhängt. Deshalb entschied er sich den Highway zu nehmen, als sie ihn baten: Adrian, bitte, lass uns dir mit deinen Medikamenten helfen. Oder wir überlassen sie dir nicht mehr zu deiner eigenen Verfügung. Also füllte er sein letztes Rezept bei der Rite-Aid-Apotheke aus, für das er noch Geld hatte, und als man ihn vorfand, schluckte er sie wie Bonbons. Er war einfach wie... oh.
Als ich ihn an diesem Morgen abholte, fand ich ihn auf dem Boden liegend, verdreht, als wäre er tot umgefallen, angezogen, auf seinen Kabeln und technischen Kram. Einfach flachgelegt. Sabbernd. Weil er so weggetreten war.
Ich schüttelte und schüttelte ihn. Er wachte auf und machte „Huh“, dann ließ er seinen Kopf hart auf den Teppich zurückfallen. Und schlief wieder ein.
Die Leute in der Klinik äfften ihn nach, spielten betrunken und torkelten, und beschämten mich. (Und ihn, aber er würde das nie wissen.) Ich erzählte ihm via Text, wie sehr es mich beschämt hat und er drehte durch und sagte, ich sage die unglimpflichsten Dinge.
[...]
Lauren: Seine Hackerzeit, glaube ich, war alles wegen seinem Drogenkonsum. Er war in der Lage, es zu tun. Zum Teil ist aus diesem Grund auch sein Mund faulig und er bricht sich die Zähne an irgendwelchen Sachen ab.

Am 5. Mai:

Lauren: Er geht nächste Woche mit seinen ganzen Erfahrungen an die Öffentlichkeit über Wired. Aber ich zweifle, dass der Teil über seinen wahren Kampf mit den Drogen und seine Geschichte damit enthüllt wird. Hauptsächlich wird der Artikel sich um Hacker drehen und solche mit Asperger. Das hat er mir heute erzählt. Aber wer weiß, ob Kevin Poulsen das durchzieht.

In der Tat veröffentlichte Wired.com den Artikel von Poulsen am 20. Mai, genau an dem Tag, an dem die Raubkopie von „Hackers Wanted“ ins Netz gestellt wurde und nur einen Tag bevor Manning den Kontakt zu Lamo über den Chat suchte.
Nadim gehörte nicht zu denjenigen, die Lamos Anzeige des jungen Soldaten für eine Heldentat hielten. Am 10. Juni äußerte er seinen Zorn gegenüber Lamo in einem weiteren Chatgespräch:

Nadim: Ich bin sehr, sehr wütend. Darüber was du mit Manning gemacht hast.
Lamo: mit Manning?
(Sie schalten den Chat an dieser Stelle auf Privatverschlüsselung.)
Adrian: Er ist bestenfalls ein Verräter.
Nadi: Du Lügner.
Adrian: Seine eigenen Worte verdammen ihn, nicht meine.
Nadim: Seine eigenen Worte, die du dem FBI gegeben hast. Die er dir anvertraut hat.
Adrian: Army CI (militärische Spionageabwehr), um genau zu sein.
Nadim: Genau wie du Wired die Sache mit deinem „Asperger Arrest“ anvertraut hast. – Oh, nebenbei gesagt. Ich kenne die Wahrheit darüber. Und auch über viele andere Dinge. Und ich werde dich dafür bezahlen lassen.
Adrian: Tu, was du meinst tun zu müssen.
Nadim: Da hast du Recht!

Nadim fügt unter den Protokollen hinzu, dass er sich nicht um Anonymität schere, er wünsche nur etwas Gerechtigkeit für Manning angesichts der Lügen von Lamo.

Es folgt ein zweiter Teil, der einen Ausschnitt aus den Chatprotokollen zwischen Lamo und Manning wiedergibt. Laut Beschreibung sei dies der Teil, den Lamo an Wikileaks geschickt hat. Ich beschränke mich hier nur auf das, was nicht schon vorher, bzw. nicht in dieser Form veröffentlicht war. Erstmals sind hier auch die benutzen Usernamen zu sehen.
Das Protokoll setzt um 12:15 an.

Bradass87: Hypothetische Frage: wenn du freien Zugriff auf geheime Netzwerke über eine lange Zeitperiode hättest... sagen wir 8, 9 Monate... und du sähest unglaubliche Dinge, schreckliche Dinge... Dinge, die an die Öffentlichkeit gehören, und nicht in einem dunklen Raum in Washington D.C. gelagert werden sollten... Was würdest du tun? Oder Guantanamo, Bagram, Bucca, Taji, VBC, was das betrifft.
Dinge die Einfluß auf 6,7 Millionen Menschen haben. Sagen wir... eine Datenbank über eine halbe Million Ereignisse während des Irak-Kriegs... von 2004 bis 2009... mit Berichten, Date Time Groups (Format für Datums- und Zeitangaben bei der NATO), Lat-Lon Locations (Ortsangaben nach Breiten- und Längengrad), Verlustangaben... ? Oder 260.000 State Department Berichte von Botschaften und Konsulaten auf der ganzen Welt, die erklären, wie die Erste Welt die Dritte Welt ausbeutet, im Detail, aus einer internen Perspektive?
Das Luftloch wurde durchdrungen =L
Adrian: Wie das? (Kurze Pause) Bist du da? (yt = you’re there?)
Bradass87: Sagen wir einfach, jemand, den ich besonders gut kenne, ist in die geheimen Netzwerke der US eingedrungen und hat Daten abgegraben, wie beschrieben... und hat diese Daten über das „Luftloch“ von den geheimen Netzwerken auf einen kommerziellen Netzwerkcomputer transferiert... hat die Daten sortiert, komprimiert, verschlüsselt und es bei einem verrückten weißhaarigen Aussi (Australier) hochgeladen, der scheints nie lange in einem Land bleiben kann. =L – Ich bin hier.
Adrian: Kommt drauf an. Was sind die Einzelheiten?
Bradass87: Wir haben eine enorme Verzögerung, glaube ich.
Adrian: Verstehe ich nicht.
Bradass87: Was war die letzte Nachricht, die du bekommen hast?
Adrian – kopiert den Satz mit der Verzögerung.
Bradass87: Vor dem.
Adrian – kopiert alles ab der Geschichte von dem „Jemand“ bis zu seiner Frage nach Einzelheiten. (Derjenige, der die Vorbemerkung zu diesem Protokoll gemacht hat, hielt dies für ein Anzeichen, dass der Text editiert wurde, was im Kontext klar Unsinn ist.)
Bradass87: Verrückter weißhaariger Typ = Julian Assange. Mit anderen Worten: Ich hab einen großen Schlamassel verursacht. :´(
Es tut mir leid... ich bin einfach emotional zerrissen. Ich bin ein totales Durcheinander. Ich glaube, ich stehe unter mehr potentiellem Feuer als du je gestanden hast.
Adrian (automatisierte Antwort): Ich habe mehr Mitteilungen als zuzuordnende Quellen um sie auszuführen. Sei bitte sehr geduldig.
Adrian: Zwangsläufig. Es gibt immer Auswege. Wie lange hast du Wikileaks geholfen?
Bradass87: Seit sie die 9/11 Pager-Mitteilungen veröffentlicht haben. Ich erkannte sofort, dass sie aus einer NSA-Datenbank stammten, und ich fühlte mich wohl genug, herauszukommen. Also... in einem Zeitrahmen gleich nach Thanksgiving (Erntedank) 2009. Hilary Clinton und einige tausend Diplomaten rund um die Welt werden eine Herzattacke haben, wenn sie eines Morgens aufwachen und herausfinden, dass ein ganzes Depot mit geheimer Auslandspolitik der Öffentlichkeit in durchsuchbarem Format zur Verfügung steht... =L s/Hilary/Hillary
Adrian: Welche Art von Inhalt? Brb (Bin sofort zurück – be right back) Zigarette. Schreib weiter <3
Bradass87: Mhm... verrückte, fast kriminelle politische Hinterzimmergeschäfte. Die Nicht-PR-Version von Weltereignissen und Krisen... mhm... all Arten von Sachen, wie alles vom Aufbau bis zum Irak-Krieg unter Powell bis hin zu dem, was wirklich in den „Hilfspaketen“ enthalten ist: z.B., PR, dass die US Hilfe an Pakistan senden, einschließlich Finanzierung von Wasser/Nahrung/Kleidung... Soweit stimmt es, das schließt es ein, aber die anderen 85% davon sind für F16-Jäger und Munition, als Hilfe für die Bemühungen in Afghanistan, so können die US Pakistaner hinzuholen, die Gebiete zu bombardieren, anstatt dass Amerikaner möglicherweise Zivilisten töten und eine PR-Krise auslösen. Da ist so viel... Es betrifft jeden auf der Erde... Überall gibt es US-Posten... Es gibt einen diplomatischen Skandal, der aufgedeckt wird... Island, der Vatikan, Spanien, Brasilien, Madascar (Madagaska?) Wenn es ein Land ist und es wird von den US als solches anerkannt, dann bekommt es Schmutz ab. – Ich brauch selbst eine. (Kurze Zigarettenpause.)
Es ist offene Diplomatie... weltweite Anarchie in CVS-Format... es ist Climatgate mit globaler Reichweite...
Adrian – wieder die automatisierte Antwort.
Bradass97: Und... Es ist wichtig, dass es nach Draußen kommt... ich fühle das aus irgendeinem absonderlichen Grund... Es könnte tatsächlich etwas ändern... Ich möchte nur... einfach nicht Teil davon sein... Zumindest nicht jetzt... Ich bin nicht bereit... Es würde mir nicht viel ausmachen, für den Rest meines Lebens ins Gefängnis zu gehen oder hingerichtet zu werden, wenn es nicht um die Möglichkeit ginge, dass Bilder von mir... die ganze Weltpresse pflastern... als Junge... Ich hab total den Verstand verloren... Ich mache keinen Sinn... Der Prozessor ist nicht für dieses Motherboard gemacht... s/als Junge/als ein Junge
>seufz< Ich wollte nur genug Zeit, um mir über mich selbst klar zu werden... um ich selbst zu sein... und immer herumzulaufen und zu versuchen, jemand anderer Erwartungen zu erfüllen... *Und nicht immer herumzulaufen... Ich treibe irgendwie im Moment herum... warte darauf, dass ich wieder in die US versetzt werde, entlassen werde... und einen Weg finden, wie auch immer ich den Übergang vollziehe. All das, während ich Zeuge werde, wie die Welt durchdreht, wenn ihre intimsten Geheimnisse enthüllt werden. Es ist solch eine unangenehme Position, emotional, wie auch psychisch.
Adrian: - wieder die Auto-Antwort

Ab hier schließt das Protokoll an die bereits veröffentlichten Passagen vom 22. Mai an. Erst zum Schluss kommt noch einmal eine kurze Ergänzung:

Adrian: Ich hatte überlegt, ob ich Wikileaks bei der opsec (operational security – Absicherung der Daten und Informanten) helfe.
Bradass87: Sie haben eine anständige opsec... Ich verletze sie offenbar gerade. Ich bin ein Wrack. Ich bin im Moment ein total beschissenes Wrack.

Auch mit diesen Ergänzungen erfährt man kaum etwas über die vermeintliche Brisanz der Daten. Auch hier erscheint Lamos Haltung zu Wikileaks widersprüchlich. Einerseits hat er überlegt, Wikileaks bei der Absicherung zu helfen und andererseits zögert er nicht, diese sofort zu durchbrechen. Nach neuesten Aussagen hat er bereits früh die Behörden informiert.

Bizarr wurde es aber, als einige aufmerksame Leser darauf aufmerksam machten, was Manning da über seine Probleme mit sich selbst sagt. Die Vorstellung, sein Foto gehe durch die Weltpresse – als Junge. Da erscheint plötzlich der Satz über den Prozessor, der nicht zu diesem Motherboard passt, in ganz neuem Licht. Und die Frage, wie er den Übergang vollziehen soll, gewinnt eine andere Qualität. So wird nun vermutet, dass Manning transsexuell ist.

Tatsächlich hatte er in 2009 auch Kontakt zu dem transexuellen Videoblogger ZJ aufgenommen, hatte aber niemals etwas in der Richtung erwähnt. Allerdings gibt es den Usernamen bradass87 einige Male im Internet. Sein Profil auf der Seite Smoking Passions passt haargenau, wenngleich er dort (noch) als 19jähriger bezeichnet wird. Dieser Bradass87 aus Maryland, blond, noch Schüler, der bei seinen Eltern lebt, gibt sich als schwul zu erkennen. Außer seinem Profil sind hier aber keine weiteren Aktivitäten zu erkennen.

Ebenso sieht es bei Bradass87 auf Xanga aus. Interessanterweise gab es hier gestern, am 24. Juni 2010, einen einzigen Gästebucheintrag, in dem sich mit Datum vom 27.12.2005 jemand mit einem anderen Usernamen als Brad ausgab: „Hi, my name is Brad, and yes, John Paul (aka t*************) has a boyfriend... Its me.“ Heute, einen Tag später, ist dieser alte Eintrag auf einmal verschwunden.

Für den Fall selbst bringt diese Erkenntnis nicht viel, außer, dass es einen Grund mehr gibt, warum sich Manning an den bekennenden bisexuellen Hacker Lamo gewandt hat. Aber es macht die Person insgesamt greifbarer und damit glaubhafter, da sie nicht mehr nur in Lamos Erzählungen besteht.

Lamo hat übrigens eine baldige Presseerklärung angekündigt. Und auch Julian Assange von Wikileaks lässt sich wieder in der Öffentlichkeit sehen. Er ist zuversichtlich, dass die USA sich an die Gesetze halten und fühlt sich in Europa sicher. Gesprächsangebote an die USA seien bisher nicht angenommen worden. Gleichzeitig kündigt Wikileaks die baldige Veröffentlichung des Videos vom Massaker in Afghanistan an und Assange redet in Rätseln von baldigen Enthüllungen. Um was es geht, wollte er dabei nicht sagen, aber es sei so, als wären alle Menschen permanent ausspioniert worden – das aber sei nur eine Analogie und es gehe nicht wirklich darum. Warten wir’s also ab!

© Juni 2010 by Horst Wilden